Freudentag in Venezuela

Mittwoch, 1. Juli 2015

(zas, 1.7.15) Ein Brief aus Venezuela, der uns über Umwege erreicht hat. Er drückt einen für uns überraschenden Optimismus aus, offenbar mit Grund! (Zu den Resultaten der Primärwahlen der sozialistischen Regierungspartei PSUV: Hier liegen unterschiedliche Angaben vor. Klar ist jedoch die massive, alle Erwartungen übertreffenden Beteiligung!)
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von Christian Grundmann:



Europa hat morgen einen dunklen Tag (Grexit?)! Ganz anders Venezuela, hier herrscht Jubel und Freude, denn gestern wählten über 3 Millionen Anhänger der sozialistischen Partei  (PSUV) die Kandidaten für die Nationalversammlung - 50% Frauen und 50% Abgeordnete unter 30 Jahren kommen in das Parlament, die Asamblea Nacional - das  ist schon bemerkenswert in einem Land mit soviel Machismus, entsprechend gross ist die Freude bei den Frauen! Die KandidatInnen sind  wochenlang im ganzen Land von Haus zu Haus gegangen und haben sich vorgestellt. Die Opposition brachte nur eine kümmerliche halbe Million Wähler an die Wahlurne - ihre Kandidaten sind ausnahmslos Leute aus der Wirtschaft und der alten Garde der Politiker aus der Tradition von COPEI und AD - keine Frauen, keine jungen Leute! Und in viele Wahlkreise sind die gar nicht erst gegangen... Diese ranzige Opposition ist wirklich am Ende, das sagen mir selbst die Leute aus der Opposition. Da kommt dann schon einmal der Ruf nach den US-Marines..... es ist nicht zu fassen! Selbst spanische  Oppositionszeitungen und US Blätter konnten heute die grosse Wahlbeteiligung der Chavisten nicht ignorieren. Die Wahllokale blieben wegen des Andrangs statt bis 6 pm bis 8,dann 9 und schliesslich bis 10:30 pm geöffnet. Alles verlief in Ruhe und einer tollen Stimmung. Die Chavisten, könnte man sagen, vertauschten gestern die  Lebensmittel Cola  (Warteschlange, Anstehen für Lebensmittel wegen des Wirtschaftskrieges - ja den haben wir hier!) mit einer demokratischen  Wahl-Cola!  Chavisten leiden ja genau so unter der Lebensmittelknappheit, aber rufen deshalb nicht zu Widerstand und Gewalt auf - das ist der grosse Unterschied!
Am 6. 12., dem Tag der Parlamentswahlen, wird es sicher einen Sieg für den Chavismus geben. Die Revolution ist tief in den Menschen angekommen - das konnte man gestern wieder im TV erleben. Sie  sind gut informiert und wissen auch genau, worauf es ankommt, was auf dem Spiel steht: Sollte nämlich die Opposition die Mehrheit bekommen,würden die Sozialprogramme  abgeschafft und die Privatisierung  (Ölindustrie!) vorangetrieben. Momentan gilt es die wirklich schwere Wirtschaftskrise zu überstehen und nicht in Pessimismus zu verfallen,welchen die  Opposition den Menschen einzuhämmern versucht - allerdings mit immer weniger Erfolg. (Übrigens: Niemand hungert in Venezuela – wie es wirklich manchmal bei Euch drüben heisst.)
 Alles in allem ist die Situation in Venezuela  also nicht so trist, wie es  die westliche Presse   immer schreibt. Über die  guten Dinge erfährt der Leser so gut wie nichts - passt ja auch  nicht in die politische Linie der Zeitungen. Hinzu kommt, dass die progressiven Länder sich gegenseitig sehr unterstützen, was den Amerikanern natürlich gar nicht gefällt. Die USA stehen ziemlich isoliert da, sie gehen deshalb z.Zt. auf "Schmusekurs" (Treffen auf Haiti zwischen venezolanischen und amerikanischen Regierungsvertretern oder die Gespräche mit Kuba).
Was lässt mich in Venezuela positiv in die Zukunft sehen? Es ist auch der Venezolaner als Mensch: Freundlich, hilfsbereit, gar nicht ausländerfeindlich (!) etc - die Schattenseiten gibt es natürlich auch, muss ich ja jetzt nicht aufzählen. Politisch: Vorausgesetzt, er gehört nicht zur Miami Clique, ist er  glühender Patriot und Revolutionär, für Deutsche nicht leicht zu verstehen, einer, der seine Lektion bei Simon Bolivar und Hugo Chávez gelernt hat - die beiden wussten schliesslich, was das Gebot der Stunde war und i s t!
Viele Grüsse aus einem Caracas in Feststimmung