(zas, 8.7.15) Worin unterscheidet sich die
Syriza-Regierung von ihren Vorgängerinnen? Sie ist nicht korrupt, aber gleich
verlogen. Dies das Urteil von Recherchier-Ass Greg Palast und dem derzeit in Athen lebenden
Medienforscher der University of Texas Michael Nevradakis in GREECE'D:
We Voted 'No' to slavery, but 'Yes' to our chains. Warum verlogen?
Weil Tsipras & Co. der griechischen Bevölkerung vorgaukeln, es sei möglich,
das „Austeritäts“-Diktat der Troika abzuschütteln und gleichzeitig im Euro zu
bleiben. Palast erinnert an ein Gespräch, das er mit Robert Mundell geführt hatte,
einem der führenden Ökonomen der Reagonomics, der oft als geistiger Ziehvater
des Euro bezeichnet wird (s. Robert
Mundell, evil genius of the euro und Trojan
Hearse: Greek Elections and the Euro Leper Colony). Mundell hat dabei
unumwunden die „Philosophie“ des Euros erklärt, der „die monetäre Politik dem Zugriff der Politiker entzieht. [Und] ohne
Fiskalpolitik ist die einzige Möglichkeit für Nationen, Arbeitsplätze zu
bewahren, die kompetitive Reduktion der Businessregulierungen“ (Evil
Genius…). „Monetäre Disziplin“, so
Mundell weiter, „zwingt die Politiker
auch zu Fiskaldisziplin“ (id.) . Schluss also mit sozialstaatlichen
„Laxheiten“, Kündigungsschutz für ArbeiterInnen etc. Kein keynesianisches deficit spending mehr, keine
Währungsawertung zwecks Ankurbelung des Exportmotors. Nur noch Privatisierungen
und Sozialangriff. Willkommen in Europa.
Syriza macht sich deshalb, so die Argumentation von
Palast und Nevradakis, mit ihrer Unterordnung unter das Euro-Regime zur
Komplizin der deutschen Kommandoebene.
1941: Deutsche Soldaten vor dem Pantheon in Athen. Quelle: Bundesarchiv. |
Was die beiden benennen, wird seit langem in den
Ländern Lateinamerikas, die dollarisiert sind, diskutiert. Ecuador etwa bleibt im
Dollarkorsett, obwohl Präsident Correa wiederholt das Ziel einer anderen
Währung formuliert hat. Was Ecuador versucht, ist seit 2008 im Rahmen der
ALBA-Länder eine gemeinsame eigene Währung aufzubauen, den Sucre (vergleichbar
dem Ecu vor dem Euro). Allerdings scheint der Sucre noch weit entfernt davon,
mehr zu sein als eine einigermassen gebräuchliche Verrechnungseinheit für den Finanzverkehr
zwischen den beteiligten Ländern. Das Risiko, knallfall aus dem Dollar
auszusteigen, mochte die Regierung nicht eingehen – Angst vor angeheizten
Panikreaktionen und Bankencrashs werden wohl eine Rolle gespielt haben, wie
vermutlich auch – unter anderen Faktoren – die Einschätzung, dass die für einen
solchen dramatischen Schritt notwendige politische Hegemonie im Land nicht
gegeben sei. Ähnliches gilt, nur noch stärker, für El Salvador, das weder über
ein Dollarpolster dank Erdölexporten verfügt noch auf einen regionalen Verbund
mit der Zielsetzung einer autonomen Währung zurückgreifen kann.
Ein reales Dilemma, jetzt auch in Griechenland. Auf
längere Sicht scheint das Verdikt für abhängige Ökonomien wie der griechischen
bei Verbleib im Euro eindeutig: Absturz. Auf kürzere scheint der Ausstieg nur
möglich unter Inkaufnahme extremer politischer und sozialer Kosten. Jedenfalls
sind Sprüche wie die von Nevradakis, viele GriechInnen würden „hysterisch“ den
Verbleib im Euro wollen, unproduktiv und dumm. Egal, ob die Leute nun
hysterisch sind oder nicht, sie würden wohl den Entscheid, aus dem Euro auszutreten,
kaum auch nur passiv mittragen. Auch Palasts Verweis auf Argentinien in „Trojan
Hearse“ hinkt. Zwar war dort die Landeswährung fix an den Dollar angebunden,
aber der Peso zirkulierte normal, was seine nach der Revolte von 2001
durchgeführte Entkoppelung vom Dollar viel einfacher machte als seine hypothetische
Neueinführung. (Kein Zufall, dass nach der Einführung des Dollars als „Zweitwährung“
in El Salvador 2001 die Finanzinstitute und der Regierungsapparat ihr eigenes
Gesetz systematisch gebrochen haben, indem sie strikt keine Pesos mehr
herausrückten, bis diese wenige Jahre darauf verschwunden waren.)
Es ist schade, dass Palast
(Nevradakis ist mir kein Begriff) in dieser Frage so oberflächlich argumentiert.
Eine Sache ist, „Recht“ zu haben, eine andere, dieses Recht gesellschaftlich durchzusetzen.
Die Eurotreue von Syriza ist natürlich eine offene Flanke für das Troikadiktat
des Sozialangriffs. Eine reale Debatte tut Not, aber nicht ein Glaubensbekenntniss. Welche Kräfte müssen wie
zusammenarbeiten, um aus dem imperialen Währungskorsett auszubrechen? Alles nicht so einfach. Vergessen wir nicht, wie beim Ausbruch der "griechischen Krise" ein guter Teil der europäischen Eliten den "Grexit" forderten.