Ein wichtiges Interview: Exclusive: Yanis
Varoufakis opens up about his five month battle to save Greece vom 13. Juli
2015. Der von Tsipras geschasste Ex-Finanzminister gibt Einblicke in die reale
Welt der Mächtigen, wenn er etwa von Eurogruppen-Sitzungen erzählt, an denen er
ökonomische Argumente gegen das „Spardiktat“ vorgetragen hat:
Es gab da einfach eine blanke Weigerung, ökonomisch zu argumentieren. Man trägt ein Argument vor und es starren einen einfach leere Blicke an. Es ist so, als ob man nicht gesprochen hätte. Was sie sagen, ist unabhängig von dem, was man sagt. Man hätte ebenso gut die schwedische Nationalhymne singen können – man hätte die gleiche Antwort bekommen.
Zu Schäubles Beharren auf den „Spar“-Diktaten:
Seine Sicht war „Ich diskutiere nicht über das Programm – es wurde von der letzten Regierung akzeptiert und wir können unmöglich nach jeder Wahl alles ändern. Denn wir haben andauernd Wahlen, wir sind 19.“An diesem Punkt musste ich aufstehen und sagen: „Nun, vielleicht sollten wir in verschuldeten Ländern einfach keine Wahlen mehr abhalten“, und es gab keine Antwort. Die einzige Interpretation [ihres Verhaltens], die mir einfällt, ist: „Ja, das wäre ein gute Idee, aber leider schwer umzusetzen.“
Die evidente Führungsrolle Deutschlands in der Eurogruppe,
die subalterne Rolle des französischen Finanzministers und andere Punkte werden
ebenso plastisch beschrieben. Absolut zentral sind die Passagen, in den
Varoufakis Auskunft über die prekären Vorbereitungen einer kleinen Gruppe im Ministerium
für einen Grexit beschreibt, deren Vorschläge aber an Alexis Tsipras und an der
Kabinettsmehrheit scheiterten. Vorschläge, die um drei zentrale Themen kreisten
für den dann eingetreten Fall, dass die EZB die griechischen Banken schliesst:
eigene, in Euro dominierte Schuldscheine; Schuldenschnitt bei den griechischen
Bonds von 2012 im Besitz der EZB; Kontrolle der griechischen Zentralbank.
Das „Oxi“ des Referendums sollte diesen Massnahmen Schubkraft verliehen, aber
noch in der Nacht nach dem Referendum beschloss die Regierung im Verbund mit
den Führungspersonen der anderen politischen Kräfte, auf keinen Fall Schritte
zu unternehmen, welche die Massnahmen der Eurogruppe ablehnten.
Am 1. Juli 2015 beim Finanzministerium. Quelle: businessinsider.com |
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Gestern veröffentlichte Varoufakis auf seiner Blogseite das von
ihm kommentierte „Abkommen“ mit der Eurogruppe: The
Euro-Summit ‘Agreement’ on Greece – annotated by Yanis Varoufakis.
Dass das Protektoratsdiktat von seiner angeblichen ökonomischen Zielsetzung her
Schwachsinn ist, hat sich ja herumgesprochen. Varoufakis‘ Anmerkungen helfen, das
Fleisch am Knochen zu sehen, den Tsipras im EU-Auftrag gestern im Parlament durchgebracht
hat: den entfesselten Sozialangriff, die radikale Zerstörung einer Wirtschaft,
die sich in irgendeiner Form noch an Interessen der griechischen Bevölkerung
orientieren könnte. Der Zynismus der herrschaftlichen Sprache wird unerträglich
klar.
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Ähnliches übrigens vermittelt im Prinzip folgender Artikel
der „Welt“ von gestern: Die
Griechen ahnen gar nicht, was auf sie zukommt. Lesenswert.
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Europas
Zahlmeister muss auch Zuchtmeister sein. Ein geisteskranker Artikel aus der
„Welt“ von gestern, der aber treffend wiedergibt, dass „in
Europa wieder Deutsch gesprochen“ wird (Kauder, Chef der
CDU-Bundestagsfraktion). Kostprobe:
Ob es einem gefällt oder nicht, auf absehbare Zeit wird Europa so bleiben, wie es ist. Hauptaufgabe wird sein, diesen zunehmend demolierten Laden mit seinen 28 Möchtegernchefs beisammenzuhalten. Nur einer von ihnen hat derzeit die Kraft dazu. Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler nennt ihn etwas großspurig die "Macht in der Mitte" Europas. Macht setzt den Willen dazu voraus. Auch braucht sie mehr als Wirtschaftskraft, doch Moderator und Lotse in der ersten Reihe wird Berlin künftig sein und sich an Genörgel und Gemecker gewöhnen müssen. Die europäischen Nachbarn müssen diese Rolle nicht fürchten.