Systematische Repression in Honduras

Samstag, 25. Juli 2009


25.07.2009
Systematische Repression in Honduras

Menschenrechtsverletzungen nach Staatsstreich festgestellt. Katholische Kirche gespalten

Von Harald Neuber
Tageszeitung Neues Deutschland

Systematische Repression in Honduras


Kardinal Rodríguez Maradiaga

Berlin/Tegucigalpa. Während der gewählte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, von Nicaragua aus seinen zweiten Rückkehrversuch in Angriff genommen hat, legte eine internationale Beobachterdelegation ihren Bericht vor: Seit dem Militärputsch vom 28. Juni seien Medien und Aktivisten der Demokratiebewegung schweren Drohungen ausgesetzt, heißt es in dem Bericht der insgesamt 17 Beobachter aus elf Staaten.

Sollte Präsident Manuel Zelaya die Rückkehr nach Honduras schaffen, trifft er ein anderes Land an. Bereits am Donnerstag hatte der Deutsche Martin Wolpold-Bosien im Interview mit der Tageszeitung Neues Deutschland einige der erschütternden Ergebnisse der Untersuchung einer Beobachterdelegation geschildert. Die nun vorliegenden Berichte lassen weitere Details über das Niveau der Repression erkennen. Demnach kam es in den vergangenen knapp vier Wochen zu "massiven und widerrechtlichen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung". Mindestens fünf Menschen seien bisher im Zusammenhang mit dem Staatsstreich getötet worden, es kam zu 1275 Verhaftungen.

Erneut stellten die Menschenrechtsbeobachter schwere Einschränkungen der Pressefreiheit fest. Betroffen davon seien unter anderem die Sender Canal 36, Radio TV Maya und Radio Globo. "Die internationale Gemeinschaft muss jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen in Honduras beenden, solange die Menschenrechtsverletzungen andauern", forderte Wolpold-Bosien im Namen der Delegation. Auch müsse die EU, über die bisher zurückgestellte Budgethilfe hinaus, alle Kooperationsprogramme mit staatlichen Institutionen in Honduras auf Eis legen. Die EU-Botschaften sollten bedrohten Aktivisten Schutz gewähren.

Im Hinblick auf die andauernden Menschenrechtsverstöße trifft auch die Haltung der katholischen Elite in Honduras bei kirchlichen Organisationen in Deutschland auf Kritik. Besonders beanstandet wird die Haltung des Vorsitzenden der Bischofskonferenz von Honduras, Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga. Der Geistliche hatte Mitte des Monats der deutschen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein ausführliches Interview gegeben. Darin sprach er sich gegen eine Rückkehr des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya aus. Dieser habe jegliche rechtliche Autorität verloren, behauptete Rodríguez Maradiaga. Hinter den "angeblichen Volksprotesten" in Honduras sieht der Kardinal "Agenten des venezolanischen Geheimdienstes".

Der Hauptgeschäftsführer der katholischen Hilfsorganisation Misereor in Deutschland, Josef Sayer, teilt die Haltung Rodríguez Maradiagas zum Teil. In Honduras habe kein Militärputsch stattgefunden, sagte er. Auch sei nach Zelayas Deportation vom Parlament ein neuer Präsident gewählt worden.

Andere christliche Hilfsorganisationen widersprachen dieser Haltung eindeutig. Albrecht Schwartzkopf von der Christlichen Initiative Romero aus Münster wies auf die "unterschiedlichen politischen Meinungen in der katholischen Kirche von Honduras" hin. Vor allem die Diözese von Santa Rosa de Copán vertrete "eine Meinung, die den Volksbewegungen nahe steht". Auch das renommierte Institut für Theologie und Politik lehnt die Haltung des Vorsitzenden der honduranischen Bischofskonferenz entschieden ab. Wenn die Meinung des Kardinals zuträfe, "dann gibt es in einer Demokratie Mittel, um diese Situation zu klären", sagte der Mitarbeiter des Instituts, Ludger Weckel. Durch seine Parteinahme für die Putschisten spiele der Geistliche mit dem Feuer. "Auf dem Spiel steht nicht nur die augenblickliche Situation in Honduras, sondern die grundsätzliche Frage, wie gesellschaftliche Konflikte in Lateinamerika gelöst werden", sagte Weckel.

Auch das ökumenische Netzwerk INKOTA mit Sitz in Berlin protestierte gegen die Stellungnahmen des Kardinals Rodríguez Maradiaga. "Seine öffentliche Parteinahme für die Putschistenregierung trifft auf unser Unverständnis", sagte Mitarbeiter Willi Volks: "Wir hätten von ihm erwartet, dass für er eine schnelle Rückkehr zur Verfassungsmäßigkeit eintritt." Stattdessen heize Maradiaga die Spannungen weiter an. Die unruhigen Zeiten in Honduras dauern an.