Honduras: Diktaturwahlen und ihr Boykott

Freitag, 13. November 2009

(13.11.09) Die Würfel sind gefallen. In Honduras wird die Diktatur am 29. November freie Wahlen abhalten und deren Ergebnis frisieren. Danach soll es business as usual geben. Wenn nur die unten in Honduras dabei mitspielen würden! Tun sie aber nicht, wie Reuters am 8. November zugeben muss:

„Jetzt fehlen nur noch drei Wochen bis zu den Wahlen und die Strassen, die bei jeder Kampagne dieser Art voll mit Plakaten der beiden grössten Parteien – der Liberalen und der Nationalen – waren, werden dominiert von Sprays gegen den Putsch und für einen Wahlboykott. An den Kundgebungen mit Porfirio Lobo, dem Kandidaten der Nationalen und Leader in den Meinungsumfragen, sind wenig Leute und der liberale Kandidat Elvin Santos hat alle öffentlichen Auftritte bis Mitte November abgesagt“ Hondureños apáticos frente a elecciones).

Am 5. November hatte das Putschregime das unter Aufsicht des State-Department-Lateinamerikachefs Tom Shannon zustande gekommene Abkommen mit dem rechtmässigen Präsidenten Mel Zelaya vom 30. Oktober zu einem Fetzen Papier erklärt. Zelaya hätte dem Abkommen zufolge ab diesem Tag einer Regierung der „Nationalen Einheit“ vorstehen sollen. Windige Formulierungen erlaubten den Putschisten so zu tun, als stehe das nicht im Abkommen, der Mainstream hat das getreulich übernommen. Wie etwa, dass das Parlament über ein Amtseinsetzung Zelayas entscheiden müsse – Quatsch! Das Parlament hätte laut Abkommen über die Rücknahme seines Verfassungsbruches vom 28. Juni abzustimmen gehabt, als es nach der militärischen Gefangennahme des Präsidenten, gestützt auf ein gefälschtes „Rücktrittsschreiben“, dessen „Absetzung“ dekretiert hatte. Da ihm aber „alle“ die Präsidentenernennungbefugnis zusprechen, weiss sich das Parlament in der Pflicht, darüber zu befinden, ob es das Resultat der vergangenen Präsidentschaftswahlen akzeptiert oder nicht. Von den Vorgängern der heutigen Abgeordneten, hatte Sam Zemurray, Gründer der United Fruit (heute Chiquita) und Boss im Land, einst gesagt, sie seien billger als ein Maultier. Ihre Nachkommen heute bestätigen dies und belieben dieser Tage, Parlamentsfereien einzuziehen. Schliesshlich hat das Innenministerium öffentlich mitgeteilt: Wer im Kongress für Zelaya stimmt, hat ein Strafverfahren am Hals.

Danken wir es dem Obama-Gesandten Tom Shannon. Er hatte das Abkommen vom 30. Oktober aufgegleist und zwei Tage vor dem Stichdatum vom 5. November zum Witz erklärt. In CNN en español bestägigte er, dass Washington das Wahlresultat vom 29. November auch ohne einen Zelaya in der Casa Presidencial feiern werde. Die Freiheitspaladine des Mainstreams affektieren gerade Indignation betreffs afghanischer Wahlmodalitäten. Ihnen ist deshalb das „honduranische“ Detail made in Washington glatt entgangen. Wie nämlich die Obama-Administration gerade den Putsch in Honduras durchwinkt, am Handgelenkt ein farbig Tüchlein, auf dem in goldenen Lettern „freie Wahlen“ steht. Den Putschisten nicht. Sie vertrauen auf Washington.

Dabei hat etwa ein John Kerry, Präsident des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats, ungehalten reagiert. Statt richtig tüchtig die Democracy-Keule gegen Chávez oder Ortega schwingen zu können, muss er sich Honduras vorhalten lassen. Etwa wenn der brasilianische Botschafter vor der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), Ruy de Lima Casaes e Silva von „einer schlecht geschriebenen Seifenoper mit düsteren Gestalten“ in Tegucigalpa spricht (New York Times, 11.11.09, Ginger Thompson. U.S. Tries to Salvage Honduras Accord). Schlechte Stimmung, schlecht fürs Brasiliengeschäft. Also gibt Kerry zu: Der „abrupte Positionswechsel“ des State Departments (die Erklärung Shannons) „verursachte den Kollaps eines Abkommens, das es auszuhandeln half“ (id.). Zu hohe Mathematik für den Mainstream, zumal andere das anders sehen. Wie Lewis Amselem, alternierender US-Botschafter vor der OAS. Als es den anderen OAS-Mitgliedern einfiel, zu sagen, ohne Wiederherstellung der Rechtsordnung würden sie die Wahlen nicht anerkennen, stiess er ihnen Bescheid: „Ich will kein Besserwisser sein, aber was bedeutet das? Was bedeutet das in der wirklichen Welt, nicht in der Welt des magischen Realismus?“ (id).

Er weiss das. Etwa aus seiner Zeit in der US-Botschaft in Guatemala von 1988-92. Die Zeit des Genozids an den indigenen Comunidades. Der US-Journalist Jeremy Bigwood erinnert sich: Amselem “pflegte der Ausrottung von hunderttausenden guatemaltekischer Indigener einen positiven Spin zu geben. Er arrangierte sogar illegale Nachschübe für die guatemaltekische Armee, nachdem die US-Militärhilfe verboten worden war“ (NarcoNews, Al Giordano. 29.9.09. US Ambassador Lew Amselem: A Ghoul from Horror Films Past). 1990 hatte sich die damalige First Lady Hillary Clinton mit dem Aufsehen erregenden Fall der 1989 in Guatemala gefolterten Nonnen Diana Ortiz befasst. NarcoNews zitiert aus den Memoiren von Ortiz:
„… nachdem ein US-Arzt allein auf meinem Rücken 111 Löcher gezählt hat, die von brennenden Zigaretten stammten, änderte die Story. Im Januar 1990 erklärte der guatemaltekische Verteidigungsminister öffentlich, dass ich eine Lesbe sei und die Entführung vorgetäuscht habe, um ein Stelldichein zu verheimlichen. Der Innenminister echote diese Erklärung und gab danach an, davon zum ersten Mal in der US-Botschaft gehört zu haben. Einem Kongress-Mitarbeiter zufolge verbreitete der Funktionär für politische Angelegenheiten in der US-Botschaft, Lew Amselem, tatsächlich das gleiche Gerücht“ (id.)

Eben, Amselem kennt sich aus in der wirklichen Welt und mit Menschenrechten und Demokratie. Ob damals in Guatemala oder heute in Honduras. Deshalb darf er in der OAS Clinton vertreten.

Nun, wie gesagt, der Widerstand spielt in diesem Skript nicht mit. In seinem Communiqué vom 9. November sagt er:

„[Unsere] Nicht-Anerkennung der Wahlfarce bleibt gültig, auch wenn Präsident Manuel Zelaya in der Zeit von heute bis zum 29. November wieder im Amt eingesetzt würde. Denn 20 Tage oder weniger sind ein sehr kurzer Zeitraum, um den Wahlbetrug zu demontieren, der ausgeheckt wurde, um einen der Vertreter der putschistischen Oligarchie durchzudrücken und so das antidemokratische und repressive Projekt zu perpetuieren“.

Es ist sinnlos, darüber zu spekulieren, wie sich die Lage genau entwickeln wird. Beide Seiten bereiten sich auf die Ereignisse rund um den 29. November vor. Sämtliche vor dem Putsch eingeschriebenen sogenannten unabhängigen Kandidaturen der sozialen Bewegungen – vom Gemeinderat bis zur Staatspräsidentschaft – haben sich von der Wahlbeteiligung zurückgezogen. Sie wären die reale linke Kraft bei den Wahlen gewesen, stark genug auf jeden Fall, um auf Anhieb den traditionellen Bipartidismus der Liberalen und der Nationalen zu sprengen. Die kleine Linkspartei DU zaudert mit diesem Schritt, zumindest ihr offizieller Präsidentschaftskandidat César Ham. Sein Argument: Eine Nichtbeteiligung an den Wahlen würde die automatische Aberkennung ihres legalen Status bewirken. Der Mann gilt schon lange als korrupt. Es ist zu erwarten, dass viele KandidatInnen der DU und einer weiteren Minipartei, des PINU, aber auch des verfassungstreuen Flügels der liberalen Partei, die Wahlen boykottieren werden, , wie dies gerade Padilla Sunseri, der bisherige Bürgermeister der zweitgrössten Stadt des Landes, San Pedro Sula, getan hat.

Berta Cáceres von der Widerstandsleitung, Exponentin der Campesina- und Indigenenorganisation COPINH, sagt zum Wahlboykott Folgendes:
Berta Cáceres

„Wir haben im ganzen Land Konsultationen durchgeführt, mit den Leuten geredet und sie um ihre Meinung zu einer Wahlbeteiligung gebeten. Die überwältigende Mehrheit sagte uns, dass es keine Teilnahme ohne vorherige Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung geben könne.“
„Wir haben eine militarisierte Gesellschaft, eine mediale Einkreisung zugunsten der Putschisten, die Teilnahme von fundamentalistischen religiösen Kreisen an der Wahlbeobachtung, die Straffreiheit für die Menschenrechtsverbrecher und die Putschbeteiligung des Wahlgerichtes.“
„Wir haben die Leute auch über ihre Bereitschaft befragt, am kollektiven Aufbau eines historischen Befreiungsprojektes wie der Verfassungsgebenden Versammlung teilzunehmen und die positive Antwort war stark. So dass unser Entschluss der Nichtbeteiligung schon in ein eher mittel- und langfristiges Projekt mündet, das nächstes Jahr beginnen und alle diese Kräfte … bündeln wird, die aufgrund der Unabhängigen Volkskandidaturen entstanden sind“.