Honduras: Ungute Stimmung vor den Putschwahlen

Donnerstag, 26. November 2009


Die USA lassen wählen – Lateinamerika spaltet sich politisch – die Diktatur betreibt ein Klima der Angst

(25.11.09) Allein letzten Dienstag haben 60 KandidatInnen für diverse Ämter ihre Kandidatur aus Protest gegen die Putschwahlen zurückgezogen. Es handelt sich dabei vor allem um Mitglieder der beiden Kleinparteien PINU und UD. Die eigentlich linke UD (Unificación Democrática) hatte vor wenigen Tagen beschlossen, den Wahlboykott der Widerstandsfront zu bekämpfen und sich an den Wahlen zu beteiligen – damit, wie ihr Chef, César Ham, treuherzig meinte, dereinst jemand in den Institutionen das Volk verteidige. Der diesen Beschluss fassende Parteikongress war allerdings ein Hohn – die meisten Delegierten waren nicht einmal informiert, geschweige denn anwesend, dim Gegensatz zu einer nicht gewählten Gruppe von Ham-AnhängerInnen. Das verbreitete Misstrauen gegen Ham sieht sich somit bestätigt. Allgemein wird dieser Schritt als das Ende der UD betrachtet – die Mehrheit der Parteimitglieder ist loyal in der Widerstandsfront. Möglicherweise wird Ham als argumentatives Alibi für einen „fairen Wahlprozess“ benutzt werden; im Land selbst dürfte sein Verkauf allerdings keine bedeutenden Auswirkungen haben.

In den Tagen zuvor haben sich nach dem Rückzug der parteiunabhängigen Kandidaturen um den früheren Präsidentschaftsanwärter und Gewerkschafter Carlos Reyes auch schon über 50 KandidatInnen der Liberalen Partei zurückgezogen, darunter auch solche in aussichtsreicher  Position für wichtige Bürgermeister- oder Parlamentssitze. Sogar ein Parlamentskandidat der Nationalen Partei hat seinen Verzicht bekannt gemacht.

Die OAS und die UNASUR (südamerikanische Staatengemeinschaft) entsenden keine Wahlbeobachtungsmissionen, da sie die Putschwahlen nicht mit Observation legitimieren wollen. Die USA ihrerseits betreiben im Kontinent eine intensive Druckkampagne, um möglichst viele Regierungen zur Anerkennung der Putschwahlen zu bringen. In El Salvador etwa haben rechte Medien offen über diese Vorgänge berichtet. Mit an Bord sind erklärtermassen Panama, Kolumbien, Kanada und Peru und wohl auch die mexikanische Regierung. Definitiv gegen die Anerkennung der Diktaturwahlen Stellung genommen haben neben den ALBA-Länder Regierungen wie jene von Brasilien, Argentinien oder Paraguay. Auch Guatemala oder El Salvador werden diese „Wahlen“ nur schon aus Selbsterhaltungstrieb nicht anerkennen dürfen; Costa Rica hält sich bedeckt und von vielen Karibikregierungen ist uns nichts bekannt.

Gestern wurde bekannt, dass Brasilien am 18. Oktober dem US-State Department vorgeschlagen hat, die Wahlen um zwei Wochen zu verschieben, um dem rechtmässigen Präsidenten Zelaya so die Möglichkeit zu geben, nach einer baldigen (…) Wiedereinsetzung ins Amt den Wahlprozess noch in halbwegs akzeptable Bahnen zu lenken. Natürlich hatte Washington dafür null Musikgehör. Schliesslich richtet die Administration Obama die Wahlen aus. State Department-Sprecher Ian Kelly sagte gestern: „Wir geben technische Unterstützung, um den Honduranern zu helfen und sicher zu stellen, dass dass dies freie, faire und transparente Wahlen sind“.

Was die Obama-Administration mit ihrem Druck für die Wahlanerkennung macht, ist einen Keil zwischen die lateinamerikanischen Nationen zu treiben. Brasilien hat sich Agenturberichten zufolge auch schon sehr ungehalten über die Position Kolumbiens und Venezuelas geäussert. Kurzfristig hat Obama damit Erfolg; mittelfristig ist die Partie nicht gelaufen. Die langjährige New-York-Times-Kolumnistin für Lateinamerika, Marcela Sánchez, zitiert eine Quelle im State Department mit der düsteren Einschätzung: „Wir sind zur alten Dynamik ‚alle gegen die USA’ zurückgekehrt“. Klar, von den grossen Hoffnungen auf Obama bleibt auch in Lateinamerika nicht mehr viel übrig.  

Zurück zu den Wahlen: Während es dem Kandidaten der rechten Nationalen Partei Pepe Lobo gelungen ist, an der Schlusskundgebung so etwa wie Stimmung unter seinen AnhängerInnen zu erzeugen, schaffte es der liberale Spitzenkandidat Elvin Santos nicht einmal, eine Sporthalle zu füllen. Dies trotz publik gewordener Weisung an das gesamte in den Ministerien arbeitende Personal, sich nach Arbeitsplatz organisiert und kontrolliert daselbst einzufinden. Fürs elektorale Ambiente sorgt derweil die Diktatur. Tegucigalpa ist voller Soldaten, seit Tagen donnern immer wieder Kampfflieger und Helikopter dicht über die Dächer – psychologische Kriegsführung. Heute früh im Morgengrauen knallte es wieder in Tegucigalpa, laut Putschbehörden verursacht durch einen RPG-7-Beschuss des Obersten Gerichts und eines TV-Senders mit wie gewohnt kleinem Sachschaden. Dafür hat die Polizei im Departement  Yoro angeblich ein Waffenarsenal gefunden (Gewehre, Pistolen, Munition) und dabei vier Leute verhaftet, darunter angeblich auch zwei Nicas – von denen zumindest der eine jedoch klar ein Hondureño ist. Für die Polizei sind die Verhafteten Mitglieder der Widerstandsbewegung, die sich auf die Wahlsabotage vorbereitet haben sollen. Die örtliche Widerstandsbewegung kennt die Verhafteten noch nicht einmal.

Anders dafür die Lage beim Attentat auf einen Zelaya aktiv unterstützenden Unternehmer aus dem westlichen Departement Olancho vom Mittwoch letzter Woche. Bei dem zehnminütigen Angriff in der Stadt Juticalpa gab ein Kommando pausenlos Salven aus schweren Waffen ab und tötete zwei Leibwächter des selber unverletzt gebliebenen Unternehmers Ulises Sarmiento. Anschliessend fuhr es davon und passierte ohne irgendwelche Belästigung eine Strassensperre der Sicherheitskräfte, die eh die ganze Gegend militarisiert haben.

Stimmungsbilder aus Honduras vermitteln eine massiv steigende Spannung und auch eine reale Angst vor schlimmen Vorkommnissen. Vor einer Weile schon hat die Menschenrechtsorganisation CODEH einen Plan der Militärs angeprangert, demzufolge als Mitglieder der Widerstandsbewegung verkleidete Angehörige von militärischen Spezialeinheiten ein Massaker unter ParteigängerInnen des Putschregimes anzetteln würden, um so freie Bahn für die blutige Zerschlagung des Widerstands zu schaffen. CODEH will von diesem Plan von Angehörigen der Streitkräfte erfahren haben. Auch die Menschenrechtsgruppe COFADEH befürchtet Provokationsaktionen als Einleitung einer massiven Repression. Der Frente de Resistencia schreibt in seinem Comuniqué vom 24. November: „Der Repressionsapparates des Staates hat die Überwachung und Verfolgung der AktivistInnen des Widerstandes erhöht bis zum Punkt der Ausrufung eines Ausnahmezustandes, der die Präambel für eine militärische Offensive gegen das unbewaffnete Volk sein könnte“. Gestern wurde die Leiche des Lehrers Luis Gradis Espinal gefunden, eines der Anführer des Widerstandes im Department Valle. Er war am Sonntag nach Tegucigalpa gefahren, um dort seinen Sohn zu treffen und war, wie die Widerstandsfront von ZeugInnen weiss, von einer Polizeipatrouille auf der Umfahrungsstrasse von Tegucigalpa verhaftet worden.