Honduras: Situationsbild. Wahlabstinenz, Anschläge, Repression

Sonntag, 29. November 2009


(29.11.09) In wenigen Stunden geht die Wahlfarce der kaum kaschierten Militärdiktatur zu Ende. Ingesamt ergeben die vorliegenden Berichten und Telefonkontakte folgendes Bild: massive Wahlabstinenz in den Volksquartieren und reger Besuch der Wahllokale in den Upper Class-Zonen der Hauptstadt und der Wirtschaftsmetropole San Pedro Sula und ausgeprägte Militarisierung in Landesinnern. Insgesamt scheint sich eine politische Niederlage des De-facto-Regimes abzuzeichnen. Es gibt allerdings wenig Zweifel, dass das Wahlgericht die Beteiligungszahlen nach oben frisieren und das von Washington zwecks Einleitung des Business as usual übernommen werden wird.

Eigenartig sind diverse Anschläge von gestern und heute früh, so eines heute um 8am in einem Wahllokal von San Pedro Sula. Mit Bestimmtheit steckt nicht die Widerstandsfront dahinter, die sehr genau weiss, dass sie damit den Repressionskräften den lange gesuchten Vorwand liefern würde, um mit massiver militärischer Gewalt gegen sie vorzugehen. Aus Polizeikreisen war, wie das argentinische Rechtblatt Clarín gestern berichtete, interessanterweise zu hören, diese Anschläge stammten wohl eher aus der Küche von Angehörigen der Liberalen Partei. Doch weist Clarín zu Recht auf den spekulativen Charakter solcher Angaben hin. Tatsächlich waren die bisherigen Anschläge mit nur geringem Sachschaden Wasser auf die Mühlen der PutschistInnen. Sie erlaubten es, die Repression derart anzuziehen, dass der Frente de Resistencia für heute zum Beispiel in Tegucigalpa dazu aufgerufen, nicht auf die Strasse zu gehen, um sich nicht massiver Repression auszusetzen, sondern zu Hause zu bleiben. (In San Pedro Sula, wo laut Regime kaum nationale Widerstandskader agieren und es deshalb eine niedrige Repressionslatte ansetzte, kam es heute im Gegensatz dazu zu einer Demo, die vor ca. 1 Stunde angegriffen und aufgelöst wurde.)

Doch diese Repressionsschiene zeitigt auch eine unerwünschte Wirkung. Eine „moderate Paranoia“ (Clarín) machte sich breit. Ereignisse wie Schusssalven heute im Morgengrauen in der Nähe des Flughafens der Hauptstadt bewirken gewiss nicht die von den Gorilettis sehnlich gewünschte massive Wahlbeteiligung. Wie uns Betty Matamoros vom internationalen Sekretariat des Widerstandes gerade gesagt hat: „Es sind beide Faktoren, Wut über die Farce und Angst, die dafür sorgen, dass die Leute nicht raus gehen“. Diese an sich für das Regime und das Weisse Haus kontraproduktiven Anschläge von heute früh können aber auch auf eine sehr gefährliche Tendenz hinweisen: Dass das Putschregime nämlich die Hoffnung, die Bevölkerung signifikant für die Wahlfarce mobilisieren zu können, aufgegeben hat und jetzt zur Zerschlagung der Widerstandsfront übergehen will, um der Ende Januar nachrückenden Putschequippe in der Casa Presidencial eine „saubere Situation“ übergeben zu können.

Dass es mit der Wahlbeteiligung wirklich nicht weit her sein kann, machen übrigens auch die Homepages der Putschmedien deutlich. Kein einziges Bild von einem Massenandrang, wie es sonst für Wahlanlässe normal ist, dafür viel Lärm um irgendwelche Statements prominenter PutschfreundInnen aus dem In- und Ausland. Auf der Seite des Frente, voselsoberano.com, ist dafür ein kurzes Video der Feministas en resistencia zu sehen, aufgenommen um 10am Ortszeit, mit Aufnahmen einer Reihe verblüffend leerer Wahlzentren in der Hauptstadt. Auf dem Land scheint der Armeeterror für die Wahlbeteiligung massiv zu sein. So wird etwa von der Isla Zacate Grande berichtet, dass heute früh Soldaten 800 Familien unter Waffenandrohung an die Urne gezwungen und geprügelt haben und 24 Mitglieder der Comunidad untergetaucht sind.