Am 25. Oktober, eine Woche nach der Veröffentlichung des ARP-Communiqués, berichtete das paraguayische Blatt Última Hora über einen Vorschlag, den Avilés seinen Kollegen der ARP von San Pedro gemailt hat. San Pedro ist das Department mit den gigantischen Sojaplantagen, den von den Sojapflanzern der ARP mit Pestiziden vergifteten Kinder der Campesinacomunidades und eben der … terroristas, der sich wehrenden BäuerInnen (vgl. dazu Correos 151, 155, 157 und „Soyarepublik Paraguay“ von Reto Sonderegger). Avilés hatte sich einer bewährten Antwort erinnert. Er schrieb seinen Standeskollegen:
„Wie lange warten wir noch darauf, diese kommunistischen Hurensöhne zu bekämpfen, die unser geliebtes Paraguay vernichten wollen wie es die Allendistas von 1968 bis am 11. September 1974 [sic!] in Chile gemacht haben … Wir alle wissen, dass diese Regierung sie nicht nur deckt, sondern ihnen Geld und Nahrung gibt, dass sie die Augen vor dem Vormarsch dieser Guerilla schliesst, statt binnen einer Minute die Truppen zu entsenden und diese Banditen dort, wo sie sind, zu exekutieren …
Es ist Zeit, aufzuwachen.
- Geld sammeln, um unseren Freund Fidel Zabala befreien zu können.
- Geld sammeln, um uns zu organisieren, so wie sie, aber im entgegengesetzten Sinn (Das brachte uns in Chile 1970 Resultate).
- Geld sammeln, damit wir AR-15, AK-47 usw. haben.
- Alle Kommunisten, die gegen unser Leben und unseren Besitz verstossen, verfolgen, schnappen und physisch liquidieren.
- Der Regierung des Herrn Lugo öffentlich mitteilen, dass ihr Fest zu Ende geht, dass die Tage seiner Idylle mit Chavez, Morales, Correa, Castro und anderen gezählt sind.
… Für den Aufbau des Comando anticomunista Paraguyo (C.A.P.)“.
Avilés ist ursprünglich Chilene. 1970 war eine schlechte Zeit in seinem Land. Gerade hatte Salvador Allende die Wahlen gewonnen und drohte nun, das Präsidentenamt anzutreten. Unvergessen der Ausspruch Henry Kissingers: „Ich sehe nicht ein, warum wir zusehen sollen, wie ein Land wegen der Unverantwortlichkeit seiner Bevölkerung kommunistisch wird. Die Probleme sind viel zu wichtig, als dass sie den chilenischen Wählern zur Entscheidung überlassen werden könnten“ (Richard R. Fagen, "The United States and Chile: Roots and Branches", Foreign Affairs, January 1975). Sagten sich auch die CIA und Avilés, damals gerade chilenischer Student an der Universidad Católica in Santiago, der Kaderschmiede für den chilenischen Faschimus. Zusammen mit Kollegen aus der von der CIA finanzierten paramilitärischen Kraft Patria y Libertad, die bis 1973 mit rechten Berufsverbänden zusammen die Regierung Allende putschreif destabilisieren sollte, hatte er Generalstabschef René Schneider entführen wollen. Ein kleines Malheur passierte und Schneider war nicht entführt, sondern ermordet. Wenige Tagen später sollte der chilenische Kongress Allende als Präsidenten bestätigen, ein Mandat, dem sich der als verfassungstreu bekannte Schneider nicht widersetzen hätte. Trotz der dokumentierten Versuche von Kissinger und der CIA, die Amtseinsetzung zu verhindern, wurde Allende Präsident. Und so untersuchte die Polizei das Attentat und Avilés musste sich nach Paraguay absetzen. Damals herrschte eben noch kein Rechtsstaat in Chile, der tat das erst ab dem 11. September 1973, wie Avilés in einer Stellungsnahme in der Última Hora am 30. Oktober ausführte. Er begründete darin, wie er zu seinem Aufruf zu Todesschwadronen gekommen sei. Damals, im vorrechtsstaatlichen Chile, „war ich Zeuge von Angriffen blutrünsitger Horden auf das Privateigentum“. Selbiges ereigne sich heute in Paraguay.
Der paraguayische Grossgrundbesitzer Fidel Zavala soll also vom EPP entführt worden sein. Gleich wie letztes Jahr ein Kollege Zavalas. Das EPP ist ursprünglich vermutlich von Mitgliedern der linksradikalen Partei Patria Libre gegründet worden, einer Partei, die angeblich in andere Entführungsfälle verwickelt gewesen sein soll. Jetzt aber hat sich auch Patria Libre vom EPP distanziert, das vielen als durchgeknallt und unterwandert gilt. Was die Rechten natürlich keineswegs daran hindert, permanent gegen eine Achse FARC-Chávez-Patria Libre-EPP-Lugo-Sozialbewegungen zu hetzen.
Der Aufruf von Avilés ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Angespornt vom honduranischen Vorbild, redet die Rechte immer offener von einer „Amtsentfernung“ des Präsidenten Fernando Lugo (s. Putschecho in Paraguay). Die Última Hora berichtete am 23. Oktober über den Abgeordneten Víctor Yambay aus dem Lager von Ex-General Lino Oviedo, einem früheren Putschisten und heutigem Oppositionsführer. Yambay insistierte, dass der Sektor der Viehzüchter „genügend Macht hat, um Lugo abzusetzen“ (Diputado advierte poder del ARP para destituir a Lugo). Die ARP liess zwar zwischenzeitlich mitteilen, Avilés’ Vorstoss entspreche dessen Privatmeinung. So privat, dass der frühere ARP-Chef Alberto Soljanic, dazu befragt, meinte: „Es gibt keine andere Formel mehr … sobald einmal der Kollege Fidel Zavala von seiner Entführung zurückkehrt, können wir die Arme nicht mehr hängen lassen“ (Última Hora, 27.10.09: Soljanic se muestra a favor de armar civiles). Das gleiche Blatt hatte einen Tag zuvor den Linkspolitiker Camilo Soares mit diesen Worten zitiert: „Was Herr Avilés vorschlägt, ist das, was viele sehr mächtige Sektoren in Paraguay denken“ (Soares involucra a ganaderos en plan de tumbar a Lugo). Er verwies u.a. auf die engen Beziehungen von Ex-General Oviedo zum chilenischen Rechtsextremismus und auf ein kürzliches Treffen internationaler Rechtsparteien in der paraguayischen Hauptstadt Asunción, an dem neben der Oviedo-Partei (Unace) „leider auch einige Personen wie der Vizestaatspräsident“ Federico Franco teilgenommen haben. (Franco hat sich öffentlich dazu „bereit“ erklärt, bei einer Absetzung Lugos nachzurücken.) „Sie denken“, so Soares, „dass das Problem in Paraguay 4 oder 5 Personen sind, die wir die Ungerechtigkeit kritisieren und dass der Reichtum kriminell verteilt ist, der oft unrechtmässig erworben worden ist“ (id.).