(18.11.09) Hans van Baalen (vgl. diesen Blogbeitrag), holländischer EU-Parlamentarier und neuer Präsident der Liberalen Internationalen (Schweizer Mitglied: der Freisinn), musste auf seinem Zentralamerika-Trip letzte Woche mehrmals für die Demokratie in den Ring steigen. In Nicaragua warf ihm Präsident Daniel Ortega den Ausdruck „holländischer Pirat“ nach, unter Anspielung auf den berüchtigten US-Filibuster William Walker, dessen Armee erst von einer geeinten zentralamerikanischen Armee besiegt wurde. In Radio Nederland gab der Typ nun zu, was ihm Ortega vorgeworfen und der nicaraguanische Oppositionscapo Eduardo Montealegre eifrig bestritten hatte. Dass er, van Baalen, sich nämlich beim nicaraguanischen Armeechef Hallesleven nach der Neutralität der Streitkräfte gegenüber der Regierung Ortega erkundigt habe. Van Baalen dreht das Ding nun so, dass er eben keinen Militärputsch gegen Ortega wünsche, sondern …. Ja was?. Grosshänschen aus dem Tulpenland weiss: „Roberto Micheletti [das Putschaushängeschild in Honduras] ist die Zukunft der Demokratie in Honduras, und Daniel Ortega muss die Macht in Nicaragua abgeben“ (Informe Pastrán. 18.11.09. Baalen confirma que sondeó al Ejército). Es versichert auch: „Die Liberalen unterstützen keine militärischen Handlungen gegen Präsidenten, aber es gibt Ausnahmen, wenn die Verfassungen verletzt werden. Ich wollte nur wissen, wie die nicaraguanische Armee diesen ganzen delikaten Zusammenhang sieht“ (id).
Bewundert Grosshänschen den Führer?
In Nicaragua hatte die sandinistische Mehrheit im Obersten Gericht kürzlich befunden, die 1995 von den Rechten eingeführte Nichtwiederwählbarkeit von StaatspräsidentInnen und BürgermeisterInnen verstosse gegen andere Verfassungsartikel und sei deshalb ungültig. Die Rechte im Land, angeführt von den beiden miteinander verfeindeten liberalen Grossgangstern Arnoldo Alemán und Eduardo Montealegre erblickt in diesem Verdikt einen Verfassungsbruch und Angriff auf die Grundfeste der Demokratie. Sie mobilisiert für kommenden Samstag zu einer Demo „gegen die sandinistische Diktatur“, während die Sandinistas ihrerseits eine grosse Gegenmobilisierung betreiben. Van Baalen erklärte sich in Nicaragua zum Vereiner der beiden liberalen Strömungen und propagierte die Demo vom Samstag. Es ist leider mit provozierten Gewalttaten zu rechnen.
Der Chefliberale und heutige VVD-Abgeordnete im EU-Parlament war, ist einem Artikel von Jean-Guy Allard auf rebelion.org von heute zu glauben, früher bei einer neonazistischen Gruppe namens Nederlandse Volks Unie dabei. 1998 soll er gezwungenermassen auf eine Kandidatur verzichten haben, nachdem ihn ein ehemaliger Studienkollege, Kees Maasland, bezichtigt hatte, eine „Faszination für Nazideutschland“ an den Tag zu legen. Baalen, so Massland, „bewunderte, wie Adolf Hitler die Massen manipulierte“. Jedenfalls bewundert er heutige „starke Männer“. Über Micheletti, dem seine Liberale Internationale gerade die Vizepräsidentschaft verliehen hat, meinte er: „Wir glauben, dass er den Liberalismus von Zentralamerika der Welt näher bringen kann“ (s. angeführten Blogeintrag). Klingt vertrauenserweckend, nicht?
Der Kardinal, Pinochet und ihre Schreiberin
Auch andere Männer treffen auf Unverständnis. Etwa der honduranische Putschkardinal Rodríguez. Zum Beispiel in Paris. Dort wollte ihm das „Institut Catholique“, bestimmt eine feine Institution, am 24. November ein Ehrendoktorat verleihen. Neidische Stimmen erhoben sich alsbald gegen den gottesfürchtigen Mann, der gleich zu Beginn des Putsches betont hat, wie gut dieser für das Land sei. Es gelang ihnen, die Preisverleihung zu vermasseln. Der Kardinal komme wegen der vielen Proteste nicht selber angereist, teilten die französischen Medien mit. Die (rechtmässige) honduranische Botschaft in Paris freute sich über diesen Rückschlag „für einen der wichtigsten Autoren des Staatsstreichs“. Dabei hat sich der Mann doch seit langem schon verdient gemacht. Etwa, als er 1982, damals noch Bischof von Copán, zusammen mit der Armee den katholischen Landpfarrer Fausto Milla aus seiner Diözese ins mexikanische Exil treiben konnte. Milla hatte das Massaker an vermutlich etwa 700 salvadorianischen BäuerInnen am Río Sumpul 1980 vehement kritisiert, bei dem die honduranische Armee Schützenhilfe geleistet hatte. „Mein Bischof scheint eher ein Oberst als ein Pastor zu sein“, meinte Milla damals. Rodríguez habe auch systematisch die ganze Pastorale für die Armen demontiert.
Doch nicht alles und alle sind dem Satan verfallen. Denken wir nur an Mary Anastasia O’Grady, die Lateinamerika-Kolumnistin vom Wall Street Journal. Sie veröffentlichte gestern einen herzzerreissenden Artikel über den Purpurträger, wie er unter der Anschuldigung leide, ein Putschist zu sein. Wo er doch nur sagt: Zelaya habe „keine moralische Autorität mehr, Präsident der Nation zu sein“. Das zeigten nämlich die Streitkräfte auf, die dafür um so mehr über dies Ding verfügen: „Heute wird die Armee respektiert, denn sie hat sich ihrer verfassungsmässigen Rolle gewidmet, das Gesetz und die Grenzen zu verteidigen“. Der grösste Verteidiger der Armen ist er, der Kardinal, und ein richtiger Feminist obendrein. Deshalb ist nämlich nicht gegen die Multis, teilt er O’Grady mit: „Die Maquilas [Montagefabriken der Multis] sind besonders wichtig für Frauen, denn ihre Jobs sind für sie eine Quelle der Würde gewesen. Wenn sie Geld verdienen, sind sie nicht mehr Sklavinnen der Macho-Männer in ihrem Leben, die oft noch nicht einmal ihre Gatten sind“. Für diese Würde sind die jungen Arbeiterinnen gerne nach wenigen Maquila-Jahren so weit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Maquila arbeiten können.
Wem schüttet der Kardinal sein Herz aus? Der Gleichgesinnten, die einige Tage zuvor diese bemerkenswerten Zeilen fertig brachte: „Fidel Castro lernte ein Menge vom fehlgeschlagenen Giff nach der Macht des chilenischen Präsidenten Salvador Allende 1973 … Jetzt erleiden die Revolutionäre Lateinamerikas möglicherweise einen weiteren Rückschlag und dieses Mal können sie nicht behaupten, dass ein Militärputsch ihren Möchtegern-Diktator vertrieben habe. Stattdessen wurde der frühere honduranische Präsident Manuel Zelaya auf Befehl des Obersten Gerichts verhaftet. Trotz enormen internationalen Drucks hat die honduranische Demokratie bisher ihr Rechtsstaatlichkeit erfolgreich verteidigt“. (Selbige ist heute aber in El Salvador durch den FMLN bedroht, skizziert O’Grady im Rest des Artikels die nächste Frontlinie gegen die chavistische Diktatur in Lateinamerika).
Wahlbeochtung – das neue Wort für Komplizenschaft
Das Duo ist nicht gewillt, dem Wirken Satans respektive Chávez’ tatenlos zuzusehen. Rodríguez ist nämlich auch Chef von Caritas International, was übrigens das Schweigen so mancher nationaler Caritas-Organisationen zum Putsch miterklärt. Sein nationaler Klub, Caritas de Honduras, aber schweigt nicht. Er beteiligt sich am Wahltag so wacker an der „Wahlbeobachtung“, dass er zusammen mit ein paar anderen NGOs gleich eine parallele Schnellauszählung der Stimmen machen will, wie El Tiempo heute mitteilt. Die meisten WahlbeobachterInnen an dieser „fiesta cívica.“ werden übrigens von den regionalen Unternehmerverbänden und rechtsradikalen Organisationen aus Miami gestellt. Hinzu kommen noch ein paar Baalen-Leute und ähnliches. Eine offizielle Wahlobservation durch ausländische Regierungen wird es kaum geben, auch wenn sich etwa die Schweiz ihren „Expertenpool“ anscheinend doch für alle Fälle warm hält….
Man kann ja nie wissen. Ist doch grad Craig Kelly, Vizelateinamerikachef im State Department, in Honduras. Mel Zelaya liess gestern durchsickern, was Kelly will. Micheletti würde am nächsten Freitag zurücktreten und Zelaya für die Führung einer „Einheitsregierung“ Platz machen, die allerdings von seinem Plazet abhänge. Also der Traumdeal der Administration Obama: Putsch gerettet, demokratische Fassade auch. Wahlbetrug aufgegleist, Linke ausgetrickst, richtiges Ergebnis garantiert, Bewegung frei zum „unbemerkten“ Abschuss. Zelaya teilte mit, dafür nicht zur Verfügung zu stehen.