Die mediale Entwarnung zu Honduras – „Krise beigelegt“ – ist mehr als voreilig. So wie die Dinge stehen, ist es durchaus möglich, dass der Widerstand die kommenden Wahlen boykottieren und Zelaya weiter auf die Rückkehr in die Casa Presidencial warten muss.
Unser Aufruf zur Demonstration am 21. November bleibt deshalb vorderhand in Kraft.
(3.11.09) Wenig überraschend, ist die Situation in Honduras zwar wieder um einige geklärte Details reicher, aber bleibt ungewiss. Die Delegationen der rechtmässigen und der putschistischen Regierungen haben den Vertrag unterschrieben, der im Wesentlichen den Punkten entspricht, die im letzten Honduras-Beitrag in diesem Blog zusammengefasst wurden. Er enthält auch eine Kalendarisierung der einzelnen Schritte – so muss bis übermorgen die Regierung der nationalen Einheit stehen, wie das so schön heisst, wenn die Folterfraktion mit gemeint sind. Nur fehlt in dieser Kalendarisierung das Detail, wann der Kongress über die eventuelle Rücknahme seines Putschdekrets („Absetzung“ von Zelaya, Ernennung von Micheletti) befinden muss und was geschieht, falls die „padres de la patria“ ihren eigenen Verfassungsbruch nicht zurückziehen mögen. Eine Regierung der nationalen Einheit - ohne Zelaya?
Das Putschblatt La Tribuna zitierte am Samstag den OAS-Vertreter Víctor Rizo mit den Worten, dass das Kabinett der Regierung der nationalen Einheit „nächste Woche funktionieren muss“, während es für die Wiedereinsetzung von Zelaya „keinen festgelegten Termin“ gebe. Ob es soweit kommt, dass der Kongress sich ziert, ist offen – wenn die Message aus Washington besagt, eine nationale Einheitsregierung ohne Zelaya, aber mit ein paar Überläufern aus seiner Entourage wäre ok, dann wird das Parlament noch lange „beraten“. Wenn Clinton et al. vermitteln, Zelaya müsse ran, dann wird die Kongressmehrheit um den aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten, Pepe Lobo, einem Ultra von der Nationalen Partei, brav das Händchen für die Wiedereinsetzung heben – zusammen mit einem Teil der Liberalen und Abgeordneten von Kleinparteien. (Die Chancen für einen Wahlbetrug unter Micheletti, dem liberalen Parteipolitiker, für den offenbar ziemlich abgeschlagenen liberalen Kandidaten Elvin Santos würden dadurch geschmälert).
Nachdem das Abkommen unterschrieben war, wurde es ins Parlament gebracht und daselbst von einer Sekretärin entgegen genommen. Niemand von der Parlamentsleitung fand es für nötig, wegen des Wischs extra vorbei zu kommen. Gestern Montag liess der Parlamentspräsident verlauten, er werde für heute Dienstag eine Sitzung einberufen, an der die Abgeordneten vom Abkommensinhalt Kenntnis nehmen können … Bis gestern Nacht war diese Session Presseberichten zufolge noch nicht einberufen. Die putschistische Parlamentsführung gedenkt auch, vorgängig einer Abstimmung die Meinung nicht nur des Obersten Gerichts, sondern auch der Staatsanwaltschaft, der Anwaltsvereinigung und anderer Entitäten einholen – alles ohne Zeitlimiten, versteht sich.
Möglicherweise wird in dieser Situation, in der die Putschisten damit spielen, das Abkommen nicht einzuhalten, der darin vorgesehenen und schon gebildeten Verifizierungskommission eine entscheidende Rolle zukommen. Sie wird offiziell von der OAS koordiniert und besteht aus zwei VertreterInnen der „internationalen Gemeinschaft“ und je einem Repräsentanten der beiden verfeindeten Lager. Die Zusammensetzung ist eine Katastrophe: Fürs Ausland hockt die Obama-Administration, die in den letzten vier Monaten über ihre USAID-Gelder den Putsch finanziell am Leben gehalten hat, in der Person der US-Arbeitsministerin Hilda Solis direkt drin. Zur Seite steht ihr der frühere chilenische Präsident Ricardo Lagos, ein sozialdemokratischer Neoliberaler und Washington-Intimus. Lagos ist im Direktorium des Interamerican Dialogue, einem „überparteilichen“ US-Gremium, in dem auch lateinamerikanische RechtspolitikerInnen Einsitz nehmen dürfen. Der Dialogue steckte vom ersten Putschtag an das Feld des Kampfes gegen die „chavistische Einmischung“ in Honduras ab.
Zusammen mit dem Goriletti-Vertreter ist klar, wer in dieser Kommission das Sagen hat. Die ganze reale Antiputsch-Front im Kontinent, von den ALBA-Länder über Brasilien und Argentinien bis hin sogar zu Ländern wie der Dominikanischen Republik bleibt aussen vor. Die „internationale Gemeinschaft“ hat sich wieder selber konstituiert.
Natürlich werden die Medien dieser Verifizierungskommission aus der Hand fressen. So oder so, egal, wie das Diktat aus Washington bezüglich der Wiedereinsetzung oder nicht von Zelaya ins Präsidentenamt lautet, wird es die Bewegung in Honduras nicht einfach haben. Juan Barahona von der Widerstandsfront kündigte die Wahlbeteiligung der „unabgängigen Kandidaturen“ für den Fall an, dass Zelaya wieder in die Casa Presidencial zurückkehre. Ansonsten werde der Wahlprozess boykottiert. Das würde ohne Zweifel mit massiver Repression durch die Putschkräfte beantwortet werden.
Zurzeit zirkulieren in Honduras und internationalen Medien wilde Gerüchte über „Geheimabkommen“ zwischen den honduranischen und den US-Gorillas und dem Zelaya-Lager. Je nach Gusto heisst es, der US-Verhandlungsleiter Tom Shannon habe Zelaya die baldigste Rückkehr ins Präsidentenamt versprochen, oder aber umgekehrt, Zelaya habe in eine Lösung einer „Einheitsregierung“ ohne ihn als Präsidenten einwilligen müssen. Diese Gerüchte dürften vor allem Versuchsballone sein, um abzuklären, ob etwa die letzte Variante international potabel genug sei. Vermutlich gibt es dazu auch Klärungen, von denen wir nichts erfahren. Wichtiger ist letztlich, die Logik hinter der Politik der Ungewissheit und der Verzögerung zu erkennen.
Zwei Elemente stehen im Vordergrund: Die Wahlen vom 29. November sollen die Idee einer Verfassungsgebenden Versammlung reduzieren. Und sie sollen den gewünschten Ausgang – eine neue Rechtsregierung – bringen. Jeder Tag,. Der verstreicht, ohne dass insbesondere die sogenannten „unabhängigen Kandidaturen“ eine Wahlkampagne betreiben können, ist ein Gewinn für die Rechte. Dabei geht es um landesweite Kandidaturen der linken Bewegungen auf jeder Ebene, für die Präsidentschaft vereint um die Person des populären Gewerkschafters Carlos Reyes. Ob Reyes, wie einige meinen, ohne Putsch die Wahlen gewonnen hätte, entzieht sich unserer Kenntnis. Klar ist dagegen, dass diese „unabhängige“ Kraft, gestützt von Präsident Zelaya, den traditionellen Bipartidismus der beiden reaktionären Grossparteien gesprengt hätte. Solange Zelaya nicht im Präsidentenamt ist, werden diese Kandidaturen nicht kandidieren… Schon jetzt ist von einer halbwegs seriösen Wahlkampagne nicht mehr die Rede – von der Propaganda bis zur Kontrolle des auf Betrug angelegten Wahlapparates. Jeder Tag, der verstreicht, macht diese Situation eigentlich nur noch absurder.
That’s democracy.